Hochwasser und Sturmfluten bedrohen schon seit jeher Küstenregionen und sorgen dafür, dass sich ihre Bewohner vor den Naturkräften schützen. Aber auch Landgewinnungsmaßnahmen wie beispielsweise Eindeichungen verändern seit Jahrhunderten die Küste. Diese Veränderungen möchte Daniel Jankowski, Doktorand am Institut für Geschichtswissenschaft der Technischen Universität Braunschweig nun im Rahmen des DFG-geförderten Projekts „Deichbaukonflikte. Eine Wissens- und Umweltgeschichte nordfriesischer Küstenschutzinfrastrukturen, 1902–1991“ untersuchen. Am Beispiel der Eindeichungen Cecilienkoog, Sönke-Nissen-Koog und des Beltringharder Koogs analysiert er die menschlichen und nichtmenschlichen Faktoren, die die Küstenlandschaft Nordfrieslands im 20. Jahrhundert transformierten.
In Zeiten des steigenden Meeresspiegels und zunehmenden Extremwetterereignissen sind Küstenschutzinfrastrukturen von zentraler Bedeutung, um Küstenregionen wie das norddeutsche Nordfriesland nachhaltig vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Deiche, Buhnen und Lahnungen sind dabei einige der wichtigsten Instrumente, die Küstenbewohner*innen bereits seit Jahrhunderten nutzen. Doch das Schutzbedürfnis ist nur eines von vielen Motiven zur Umgestaltung der Küstenlandschaft.
Hinter Eindeichungen können beispielsweise auch wirtschaftliche Interessen stehen, wie Daniel Jankowski, Doktorand am Institut für Geschichtswissenschaft der Technischen Universität Braunschweig am Beispiel der landwirtschaftlichen Nutzung von Kögen erklärt: „Sobald das Land vor einem Deich eine gewisse Höhe hat, besteht die Möglichkeit es durch den Bau eines neuen, weiter seewärts gelegenen Deiches vor hohen Fluten zu schützen, sodass dort ganzjährig Landwirtschaft betrieben werden kann. Geschieht dies, nennt man den dadurch eingedeichten Bereich in Schleswig-Holstein 'Koog', an der ostfriesischen Küste beispielsweise 'Groden' oder in den Niederlanden 'Polder'."
Einblicke in Landgewinnungsprozesse
In den nächsten drei Jahren wird Daniel Jankowski in dem DFG-geförderten Projekt „Deichbaukonflikte. Eine Wissens- und Umweltgeschichte nordfriesischer Küstenschutzinfrastrukturen, 1902–1991“ anhand von bisher unbearbeitetem Quellenmaterial die Prozesse hinter den Eindeichungen des Cecilienkoogs (1905), Sönke-Nissen-Koogs (1924) und Beltringharder Koogs (1987) untersuchen. Die im Projekt ausgewählten Köge zählen als Teil der Reußenköge zu den flächenmäßig größten zusammenhängenden Landgewinnungsmaßnahmen des 20. Jahrhunderts. Ihre Geschichte eröffnet Einblicke in historische Transformationsprozesse der Nordseeküste und die Entstehung der Infrastrukturen, die die Küste heute vor Sturmfluten und Überschwemmungen schützt.
Das Projekt konzentriert sich dabei auf drei grundlegende Fragen:
- Wie haben menschliche Maßnahmen des Küstenschutzes und nichtmenschliche Umweltfaktoren die Küste Nordfrieslands im 20. Jahrhundert verändert?
- Welche unterschiedlichen Akteursgruppen und Experten waren an diesem wissensbasierten Transformationsprozess der Küste Nordfrieslands beteiligt?
- Wie haben sich ihre Handlungsmacht und Wissensbestände im Laufe der Zeit verändert?
Historische Umwelteingriffe als Erfahrungsraum für die Zukunft
Die im 20. Jahrhundert entstandene Küstenlandschaft war das Ergebnis von konfliktreichen Aushandlungsprozessen zwischen verschiedenen Akteursgruppen, die stets durch Umweltfaktoren beeinflusst wurden, so die Grundannahme des Projekts. Insbesondere nicht-staatliche Akteure wie Bauunternehmer, Marschbauern und Umweltschützer sowie Umweltfaktoren wie die Sedimentation, die Wetterbedingungen und die Flora und Fauna des Gebiets hatten einen entscheidenden und bislang nicht untersuchten Einfluss auf den Deichbau.
Die mikrohistorische Untersuchung der drei Deichbauprojekte bietet die Chance, die Rolle der Akteursgruppen und Umweltfaktoren über einen längeren Zeitraum genauer zu betrachten und dabei ihre Bedeutung für den Küstenschutz zu untersuchen. Die detaillierte historische Betrachtung ermöglicht ein differenziertes Verständnis der Entstehung der Küstenschutzinfrastrukturen und bildet somit auch den Erfahrungsraum für zukünftige Debatten um Umwelteingriffe dieser Art in den deutschen Küstenregionen.
Zum Projekt:
Weitere Informationen unter: https://dike.hypotheses.org
und https://www.tu-braunschweig.de/inge/institut/team/wissenschafts-und-technikgeschichte
Ansprechpartner:in
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