1,5 – ein Wissenschaftler, fünf Fragen mit Dr. Falko Feldmann

Biologe, Mitglied des Gartennetzwerks Braunschweigs und damit Praxispartner im Klima.Zukunftslabor OPEN_CULTURES
  • 27. Februar 2025
  • 4 min. Lesezeit
Porträt von Dr. Falko Feldmann Porträt von Dr. Falko Feldmann
Biologe, Mitglied des Gartennetzwerks Braunschweigs und damit Praxispartner im Klima.Zukunftslabor OPEN_CULTURES
© Mailin Rohland/Lebenshilfe Braunschweig

Hallo Herr Dr. Feldmann, was ist ihr persönlicher Antrieb sich für das urbane Grün einzusetzen?

Hinter meiner Motivation steckt meine Faszination für symbiotische Lebensweisen. Schon im Studium habe ich mich besonders für die Symbiose zwischen Pflanzen und Pilzen interessiert. Dabei wurde mir bewusst, dass sich im Extremfall ein Organismus so sehr auf die Funktionen des anderen Organismus verlassen kann, dass seine Existenz ohne diese Symbiose gar nicht mehr möglich wäre. Auf dem Weg zu solchen obligaten Abhängigkeiten gibt es viele Übergangsformen auf einem Parasitismus-Mutualismus-Kontinuum. In meinen Augen findet man sehr vergleichbare Beziehungen auch zwischenmenschlich. Ich versuche zu verstehen, wie aus der Begegnung von Menschen Kooperation entsteht und wie man sie induzieren kann. Hier setzt meine Arbeit in Stadtgärten des urbanen Grüns an.

In Stadtgärten versuchen wir gemeinsam, Kooperationen zwischen allen Akteur*innen anzuregen. Durch eigenes Beispiel, durch Orientierung an dem Beispiel anderer oder durch planvolle Diskussion gefolgt von gemeinschaftlicher Aktion.

Welche Rolle spielen Pflanzen, Gärten und Grünflächen in der Stadt?

Grünflächen jeglicher Art haben in der Stadt die Aufgabe, die Lebensqualität außerhalb der eigenen Wohnung zu sichern. In einem Forschungsprojekt haben wir vor kurzem die Multifunktionalität von Gärten am Beispiel des Ludwigsgartens in Braunschweig belegt. Diese Multifunktionalität wünschen wir uns auch für alle Grünflächen in der Stadt. Dabei geht es um die kritische Betrachtung der Fragen, wofür eine Fläche angelegt wurde und welche Funktionen sie übernehmen kann. Kann die Fläche zur Nahrungserzeugung genutzt werden? Ist sie klimawirksam? Dient sie dazu, Menschen zusammenzubringen und miteinander interagieren zu lassen? So lässt sich eine Funktion nach der anderen definieren.

Die Definition der Funktion darf aber nicht alles sein, sondern es müssen auch Belege für die Funktion gesammelt werden. Der Ludwigsgarten in Braunschweig ist zum Teil ein Selbstversorgergarten – wir kennen den Ertrag, ein Klimagarten – wir kennen die Kühlungswirkung, ein Therapiegarten – wir kennen die heilsamen Effekte, und sogar ein Kulturerbegarten. Letzteres belegen wir dadurch, dass wir jedes Jahr bestimmte tradierte Kulturaspekte im Garten partizipativ zusammenbringen und so kulturellen Austausch leisten: Im Garten lernten wir so von Menschen aus der Nachbarschaft mit afrikanischem Migrationshintergrund wichtige Pflanzen ihrer einstigen Heimat kennen und schätzen. Heute sind beispielsweise Chilis aus unserem Garten nicht mehr wegzudenken und unsere Freunde fühlen sich wohl, wenn sie sie sehen. Traditionelle heimische Obstsorten, alte Gemüsesorten werden hier angebaut, erhalten und ihre Vorteile vermittelt. Anhand der Pflanzen tauschen wir Informationen über die verschiedenen Kulturen aus, ihre Feste und Gebräuche und schaffen den Boden dafür, dass aus der gegenseitigen Wertschätzung der Kulturaspekte ein neues Bild einer inklusiven Gesellschaft erwachsen kann.

Dieses einfache Beispiel kann die große Vielfalt in der Nutzbarkeit von Gärten und Grünflächen zeigen. Ohne Grünflächen sähe es in der Stadt deutlich trister aus.

Wie wird das Gartennetzwerk Braunschweig in das Klima.Zukunftslabor OPEN_CULTURES eingebunden?

Als Gartennetzwerk Braunschweig wollen wir als Teil des Klima.Zukunftslabors OPEN_CULTURES einzelne Personen, die Gärten haben, aber auch Gemeinschaften, die gemeinsam Gärten betreiben, mit in eine Klimaperformance von unten einbeziehen. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass jede*r mitmachen kann und so für jede*n Einzelne*n erkennbar wird, wie er oder sie das Klima beeinflussen kann. Damit wird nicht nur deutlich, dass jede*r selbst für das Klima verantwortlich ist, sondern auch etwas dafür tun kann, dass es sich in die richtige Richtung wandelt.

Im Klima.Zukunftslabor werden wir als Gartennetzwerk dann auch selbst von den anderen Teilprojekten beforscht. Wir sind also selbst Forschungssubjekte und – objekte. Es wird analysiert, in welcher Weise wir uns verhalten. Das finde ich sehr spannend. Daraus entsteht eine große Motivation des Gartennetzwerk Braunschweigs sich an diesem Projekt zu beteiligen.

Was können Bürger*innen dazu beitragen, die Stadt grüner zu machen?

Engagement in Gemeinschaftsgärten wäre ein guter Ansatzpunkt, um sich für mehr Stadtgrün einzusetzen und dort mit Gleichgesinnten Netzwerke aufzubauen. Gemeinschaftsgärten sollen ja Menschen zusammenbringen. Daher wäre es auch sinnvoll, diese Gärten in unmittelbarer Nähe zu Quartieren anzulegen. Die grünen Gedanken würden von hier aus ihren Weg in die Gesellschaft finden und jeder sein Umfeld in diese Richtung beeinflussen.

Wie können sich Bürger*innen ohne den berühmten grünen Daumen beteiligen?

Also ich weiß eigentlich gar nicht, was ein grüner Daumen sein soll (lacht). In unseren Gemeinschaftsgärten arbeiten ja meistens Menschen ohne gärtnerische Vorerfahrung zusammen. Jede*r Einzelne von uns hat besondere Fähigkeiten und Interessen. Dort versuchen wir die Leute abzuholen und so in den Gemeinschaftsgarten einzubinden, dass sie ihre Fähigkeiten entwickeln und einsetzen können. Das klappt hervorragend und führt zur wohltuenden Erfahrung von Selbstwirksamkeit.

Aber auch abseits von Gemeinschaftsgärten gibt es eine riesige Vielfalt von Möglichkeiten sich zu engagieren. Über Baumpatenschaften bis hin zur aktiven Teilnahme an Fridays for Future gibt es ein großes Spektrum von den kleinsten bis zu den größten Bestrebungen, wo sich jede*r nach seinen Wünschen einbringen kann.

Vielen Dank für das Interview.

Ansprechpartner:in

Dr. Falko FeldmannDr. Falko Feldmann
Dr. Falko Feldmann
Gartennetzwerk Braunschweig

Mehr Informationen finden Sie auch hier:

Zum Gartennetzwerk Braunschweig:

www.gartennetzwerk.inbraunschweig.org

Zum Weiterlesen:

„Nachhaltige Entwicklung eines multifunktionalen Gemeinschaftsgartens: Implementierung des Ludwigsgartens Braunschweig“

https://ojs.openagrar.de/index.php/Kulturpflanzenjournal/article/view/17693

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